Susanne Pollinger und Beslan Dzaurov – eines von 49 Linzer „Lesetandems“ – beim Schmökern in der Schulbibliothek.

Schnecken trinken durch ihre Haut. Mit ihrem Schleim vergrößern sie ihr Haus. Habe ich das in der Schule gelernt? Keine Ahnung. Jetzt weiß ich es und verantwortlich dafür ist Beslan, mein „Lesepatenkind“.

Zusammen sind wir ein „Lesetandem“, und wir treffen einander jeden Mittwoch für eine Stunde in der Bibliothek der Goetheschule in Linz. Dann lesen wir. Einmal ich, einmal er, „denn Lesen ist das Tor zur Welt“. Davon ist Turan Ünal, der Vorsitzende des Vereins für Interkulturelle Begegnung und Kulturvermittlung (ibuk) überzeugt. Kindern durch „Lesetandems“ individuelles Lesetraining zu ermöglichen, ist eine der Vereinsaktivitäten von ibuk. Wissensdurstig Beslan Dzaurov, der vor zwei Jahren mit seiner Familie aus Russland gekommen ist, interessiert vieles. Aber besonders angetan hat es dem 11-Jährigen europäische Zeitgeschichte. Über den 2. Weltkrieg und den Kriegsverlauf zwischen Deutschland und Russland will er alles wissen.

Weil die Schulbibliothek seinen Wissensdurst kaum stillen kann, hole ich Nachschub aus dem Fundus meiner Stadtbücherei. Er nimmt die besten Bücher mit nach Hause und möchte eine eigene Büchereimitgliedschaft. Das Antragsformular habe ich schon besorgt. Lesen und lesen lassen „Haben Mozart und Puschkin zur selben Zeit gelebt?“ Oft bringt Beslan mich mit seinen Fragen zu geschichtlichen Zusammenhängen ins Schwitzen, aber es gibt ja Bücher zum Nachschlagen. Generalfeldmarschall, Kolonien, Monarchie, Nationalsozialismus: Geschichtebücher sind voll schwieriger und langer Wörter. Deshalb lese meist ich daraus vor. Beslans Spezialität sind Tierbücher und so weiß ich jetzt, wie Schnecken den trockenen Sommer überleben und wie sich Wale fortpflanzen. LesementorInnen gesucht! Mehr sollen auch die Lesetandems in Linz werden. Bis jetzt sind es in drei Schulen schon 49 Lesetandems und im Herbst ist eine Expansion auf sieben Schulen geplant. Interessierte Erwachsene wenden sich an Daliborka Mijatovic vom Verein ibuk unter info@ibuk.at oder rufen an: 0732/ 66 08 04. https://www.ibuk.at
„Anfangs habe ich mich geärgert, dass ich statt rausgehen zum Lesen musste. Jetzt fi nde ich es gut, weil ich besser lesen lerne und ich mag es, wenn Susanne und ich zusammen lesen.“

Die Kinderfreunde “Intern” | Zeitung für KinderfreundInnen | Ausgabe 02, Juni 2010